Skip to main content Skip to page footer

Das Zukunftsprogramm DVVision wird von der Unternehmensberatung Sedlák & Partner begleitet. Deren CEO, Guest Prof. Robert A. Sedlák, schildert aus der Perspektive des Prozessberaters, welchen tiefgreifenden Veränderungsprozess der DVV-Konzern mit DVVision in den letzten Jahren gestartet hat.


Herr Professor Sedlák, wie haben Sie den DVV-Konzern wahrgenommen, als Sie 2018 das Mandat für den Transformationsprozess angenommen haben?

Der DVV-Konzern war durch vorangegangene Restrukturierungsprogramme stark auf Kostenreduktion konditioniert. Mittlerweile hat sich der Konzern sehr erfolgreich dahingehend aufgestellt, dass er, was die Finanzperspektive angeht, auf soliden Füßen steht. Die über Jahrzehnte eingespielten Strukturen und Routinen waren stark geprägt durch die historisch bedingte Monopolstellung. Eine wesentliche Frage, die für uns im Raum stand, war: Wie will der Konzern die identifizierten Chancen für Neugeschäfte nutzen, um künftige Einnahmeverluste aus dem Stammgeschäft mindestens auszugleichen, wenn nicht sogar überzukompensieren?

Die meisten Transformations- und Change-Prozesse bringen nicht die gewünschten Ergebnisse oder scheitern sogar. Worauf kommt es bei einem Transformationsprozess Ihrer Erfahrung nach an?

Im ersten Schritt ist es wichtig, in der Ausgangssituation festzustellen, um welche Art der Veränderung es geht. DVVision hat eine andere Zielsetzung und Logik als die erfolgreich abgeschlossenen Restrukturierungsprogramme. Wir würden DVVision als eine Veränderung der dritten Ordnung beschreiben. Diese Art der Veränderung unterscheidet sich in der Logik grundlegend von einem Restrukturierungsprogramm, wo das Ziel besteht, das Unternehmen nachhaltig von „schlechten Kosten“ zu befreien. Bei einer Veränderung dritter Ordnung geht es darum, über die strategische Positionierung und passende Strukturen, das Unternehmen marktseitig wettbewerbsfähig zu halten und mittel- und langfristig Neugeschäft zu generieren. Während es bei der Restrukturierung und Sanierung darum geht, nicht-wertschöpfende Produkte, Anlagen, Prozesse, Strukturen etc. herauszuschneiden, konzentrieren wir uns bei einer Veränderung dritter Ordnung auf die Frage, wie die zukünftige Wertschöpfung stattfindet und welche Voraussetzungen hierfür geschaffen werden müssen. Wir wissen, dass Kosteneinsparung langfristig kein Geschäftsmodell ist und für den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nicht ausreicht. Damit ein solcher Veränderungsprozess gelingt, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen.

Welche Voraussetzungen sehen Sie hier?

Wenn das Unternehmen erkannt hat, dass die Fortsetzung des bisherigen Weges das Unternehmen früher oder später in eine Schieflage hineinführt, ist eine Veränderung der dritten Ordnung angesagt. Bei so weitreichenden Veränderungen ist eine sorgfältige Analyse der Erfahrungen, die eine Organisation in der Vergangenheit mit derartigen „Zumutungen“ gemacht hat, erforderlich. In der Startsituation ist daher der Grund für die Veränderung, also die Not, die es zu wenden gilt, so nachvollziehbar zu kommunizieren, dass die Organisation dies annimmt und bereit ist, den Weg mitzugehen.

Was macht Sie so sicher, dass DVVision den notwendigen Change bewirkt?

Die Verantwortung von DVVision wurde zur Chefsache erklärt – eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Die Unternehmensleitung, das Management und die Arbeitnehmervertretung sehen die Notwendigkeit des Programms und unterstützen DVVision glaubwürdig und nachhaltig. DVVision ist so angelegt, dass grundsätzlich alle Mitarbeiter involviert werden können. Die notwendige Transparenz über das „was“, „wie“ und „wann“ im DVVision Prozess ist durch eine geeignete Change-Kommunikation gewährleistet.

Sie schreiben in Ihren Veröffentlichungen, dass Organisationen von außen nicht veränderbar sind. Können Sie das näher erläutern und schildern, was das für DVVision bedeutet?

Nach dem Verständnis der Systemtheorie verstehen wir Organisationen als komplexe soziale Systeme. Organisationen bestehen in diesem Sinne nicht aus ihren einzelnen Elementen, wie zum Beispiel Abteilungen und Personen, sondern aus der Beziehung dieser Elemente zueinander: Wie also die jeweiligen Abteilungen innerhalb der Organisation miteinander arbeiten und kommunizieren, um ihre Ziele und das Gesamtziel der Organisation zu erreichen – und damit deren Existenz zu sichern. In der Interaktion mit ihren Umwelten nehmen Organisationen nur das wahr, was für die Selbsterhaltung und die Leistungserbringung relevant erscheint. Das ist notwendig, um Stabilität zu erzeugen und diese auch in turbulenten Zeiten zu erhalten – würde die Organisation auf jeden Reiz, auf jedes Ereignis aus der Umwelt reagieren, wäre sie nicht mehr handlungsfähig. Es findet also eine Selektion dahingehend statt, welche Impulse wahrgenommen und verarbeitet werden. Dieser strukturell operativ geschlossene Prozess ist von außen nur bedingt beeinflussbar. Für den DVVision Prozess bedeutet dies, dass wir als Berater diesen Prozess von außen nur indirekt beeinflussen können – verändern können diesen nur die Akteure der Organisation. Aus diesem Grund sorgen wir für passgenaue Impulse, die einen Unterschied zu heute ausmachen. Die im Prozess beteiligten DVV-Mitarbeiter nutzen diese dann, um die notwendigen Veränderungen umzusetzen.

Was bedeutet das konkret für DVVision?

Grundsätzlich ist es notwendig, eine Haltung zu entwickeln, dass alles, was wir in Organisationen erleben und beobachten, einen guten Grund hat, der zunächst einmal zu verstehen ist. Es gilt, zu akzeptieren, dass der Change immer von innen heraus gewollt und umgesetzt werden muss. Darüber hinaus benötigt es eine enge Kooperation zwischen Führungskräften, Schlüsselspielern und Mitarbeitern einer Organisation, um auf Augenhöhe zu kommunizieren und zu agieren. Arbeitsgruppen, die von DVV-Vertretern und externen Beratern besetzt sind, nennen wir Beratungssysteme. In diesen Beratungssystemen wird die Veränderung eingeleitet, indem dort Sachverhalte kompetent und kontrovers beraten, bearbeitet und zur Entscheidung gebracht werden – unter der fachlichen und soziologischen Perspektive sowie in der passenden zeitlichen Abfolge. Werden diese Entscheidungen dann von Organisationsmitgliedern intern umgesetzt, findet die eigentliche Veränderung statt. Um Nachhaltigkeit zu bewirken, sind Beratungssysteme notwendig, in denen auch die Unternehmensleitung mitwirkt, sodass kritische Themen und solche, die möglichweise in der Vergangenheit tabuisiert waren, auf Augenhöhe offen besprochen und beraten werden können. Solche Beratungssysteme haben wir erfolgreich im DVV-Konzern implementiert und wir können beobachten, dass dort die Veränderung stattfindet. Somit wird eine Veränderung dritter Ordnung möglich.

Wenn Sie von einer Veränderung dritter Ordnung sprechen, was ist damit gemeint?

Wir sehen drei unterschiedliche Logiken, wenn es um Change geht: Die Veränderung erster Ordnung ist in einer Organisation natürlich angelegt. Ohne Hinzutun verändern sich Organisationen, ob sie wollen oder nicht. In der schnelllebigen Zeit, in der wir leben, reichen meist diese evolutionär angelegten Veränderungsprozesse nicht aus, um Organisationen zukunftsfähig zu halten. Das Ergebnis sind Schieflagen, die oftmals die Inhaber und das Management dazu zwingen, radikale Restrukturierungen und Sanierungen vorzunehmen. Diese Veränderungsprozesse nennen wir Veränderungen zweiter Ordnung. Es wird etwas weggeschnitten, beispielsweise durch Kosteneinsparungen, ohne die Organisation strategisch neu auszurichten und die passende Organisationsstruktur mit einem entsprechenden Führungssystem zu implementieren. Immer dann aber, wenn sich eine Organisation auf den Weg macht, sich auf die grundlegenden Veränderungen ihrer Umwelten einzulassen, sprechen wir von einer Veränderung dritter Ordnung. Hier besteht das Ziel, unter Nutzung der vorhandenen Systemintelligenz, einen tiefgreifenden Veränderungsprozess einzuleiten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. auszubauen. Dieser Modus beinhaltet eine stetige Reflexion des laufenden Veränderungsprozesses und stellt sicher, dass hierbei die Veränderung verändert wird, wenn beobachtet werden kann, dass die beschlossenen und aufgesetzten Interventionen nicht die Wirkung erzielen, die damit beabsichtigt war.

Was heißt das auf den DVV-Konzern bezogen?

Der DVV-Konzern hat sich nach den durchgeführten Restrukturierungsprogrammen, Veränderung zweiter Ordnung, auf eine Veränderung der dritten Ordnung eingelassen, um sich mit DVVision zu einer vorausschauenden Organisation zu entwickeln. Das beinhaltet, dass unter anderem die Prozessarchitektur für DVVision, das heißt, die Art und Weise, wie die Veränderung stattfindet, und die damit verbundenen Schrittfolgen sowie die Struktur für die Programmsteuerung in den letzten Monaten regelmäßig reflektiert und permanent weiterentwickelt wurde – ohne Not zur Rechtfertigung. Auf diese Weise wird dieser Prozess lernfähig gehalten und notwendige strukturelle und prozessuale Veränderungen können konsequent angegangen werden.


Zum Interview mit Marcus Wittig, in dem der Vorstandsvorsitzende der DVV u.a. über die Motivation und Ergebnisse von DVVision spricht.